Der DGD in der NS-Zeit

Anlässlich des 100-jährigen Jubiläums im DGD danken wir Gott für eine bewegte Geschichte, in der sein Wirken unter uns in allen Jahrzehnten unverkennbar ist. Im geistlichen Klima der Erweckungsbewegung haben Väter und Mütter des DGD ein Werk begonnen, durch das viele gesegnet wurden. Rückblickend nehmen wir die Licht- und Schattenseiten unserer eigenen Geschichte neu wahr. Das gilt auch für die Entwicklungen und Verhältnisse in der Zeit des Nationalsozialismus. Unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg, aber auch in den folgenden Jahren haben leitende Mitarbeiter unseres Werkes in verschiedener Weise Schuld bekannt und um Vergebung gebeten. Weil aber ein allgemeines Eingeständnis unserer Schuldverstrickung in dieser Epoche bisher nicht vorliegt, nehmen wir wie folgt Stellung:

Wir reagieren bis heute erschrocken, wenn wir historische Zeugnisse lesen über menschliche Irrwege, aber auch Versäumnisse im praktischen Handeln und in der Klarheit des Bekenntnisses, wie sie besonders in der NS-Zeit und auch unter uns zutage getreten sind. Wir bedauern, dass zu lange über die Schattenseiten dieser Geschichte geschwiegen und nicht früher der Versuch unternommen wurde, sie aufzuarbeiten.

Mit den bewährten Schwerpunkten unserer Arbeit – Erweckung, Evangelisation und Volksmission – sollte auch unter den neuen Verhältnissen das ganze Volk erreicht werden. Diese Grundhaltung führte anfangs zur Mitgliedschaft leitender Mitarbeiter bei den "Deutschen Christen" und zur Empfehlung an die Werkglieder, in NS-Organisationen einzutreten und in ihnen mitzuarbeiten. Wir gestehen ein, daß neben bewundernswerter missionarischer Leidenschaft und Hingabe an den von Gott gegebenen Auftrag deutliche Defizite an biblisch-theologischer Lehre zutage getreten sind. Dies ist auch in der Beurteilung des Dritten Reiches und der Gruppen im Kirchenkampf offenbar geworden.

Betroffen stellen wir fest, dass die damalige Leitung des DGD, soweit wir das aus der Kenntnis der Unterlagen beurteilen können, die unheimliche Verführung des Dritten Reiches nicht durchschaute. Dies war auch bedingt durch den Versuch kirchenpolitischer Neutralität, durch eine weitgehend unkritische Einstellung gegenüber den neuen Machthabern und später durch die Sorge um den Fortbestand des Werkes.

Es ist für uns nicht nachvollziehbar, dass die Leitung des DGD Hitler als Führer und Retter des Vaterlands angesehen hat. Die damals positiv gedeuteten Erfahrungen mit dem stark auf Gehorsam ausgerichteten Leitungsstil innerhalb unseres Werkes haben diese Sichtweise offensichtlich gefördert.

Wir beklagen eine teilweise Abweichung des DGD von seiner früheren Hoffnung auf die endzeitliche Rolle Israels, so dass die vielfach verbreitete Haltung des Antijudaismus übernommen wurde, wonach die Juden wegen der Ablehnung Jesu als Messias für alle Zeiten verworfen und unter dem Gericht Gottes sind. Dies wird auch nicht dadurch gemildert, daß einige Juden durch Werkglieder vor Not und Verfolgung bewahrt werden konnten.

Wir bedauern, daß fehlende Hörbereitschaft auf gewichtige Stimmen im deutschen Pietismus und mangelnde Korrekturbereitschaft den Austritt aus dem Gnadauer Verband (1935 – 1946) vorbereitet haben und dass warnende Stimmen aus den eigenen Reihen bei der Leitung wenig Gehör fanden.

Weil häufig erst geschichtlicher Abstand als verworren empfundene Verhältnisse und Situationen durchschaubar werden lässt und in dem Wissen, daß wir selbst immer wieder vor Gott und Menschen schuldig werden, wollen wir uns nicht zum Richter über eine vergangene Generation erheben. Das letzte Urteil über Personen und Geschichte – auch unseres Werkes - spricht allein Gott. Wir bitten aber alle um Vergebung, die bei uns und durch uns politisch unter Druck gesetzt worden oder in anderer Weise zu Schaden gekommen sind.

Aufgrund dieser geschichtlichen Erfahrungen wollen wir die Erkenntnis unter uns wach halten, dass die Verknüpfung von missionarischem Engagement und biblisch-reformatorischer Lehre, die Prüfung der Geister und die Bereitschaft zur Korrektur für unser Werk unerlässlich sind.

Die erweiterte Mitgliederversammlung (Hauselterntagung) des Deutschen Gemeinschafts-Diakonieverbandes

Lemförde, den 04.03.1999